Mein Verständnis von Zen und “dem Wichtigsten” lässt sich als Vertrautheit
mit dem Leben und dem Tod zusammenfassen. Wir alle lernen, wie man lebt.
Warum ist es so schwierig, jeden Augenblick als Geschenk anzunehmen?
Leben und Tod beinhalten Freude und Leid, Krankheit und Gesundheit und
doch entscheiden wir uns so oft dafür, die “guten” Momente zu begrüßen und
die “schlechten” zu bekämpfen, zu leugnen oder uns als Opfer zu fühlen.
Diese Strategie des Selbstschutzes funktioniert nicht. Wir werden teilweise
gefühllos und öffnen unser Herz, unseren Geist und unseren Körper nur
selten vollständig für das, “was ist”. Leben und Tod sind untrennbar
miteinander verbunden. Zu lernen, “alles” gleichzeitig zu erfahren, direkt in
diesen weisen und verletzlichen Körpern, ist die Aufgabe des
“EmbodiedLife”.
Vor kurzem hörte ich durch den amerikanischen Autor David Brooks eine
erstaunliche Geschichte über Dostojewski, die mich zutiefst anspricht:
Im Jahr 1849 wurde Fjodor Dostojewski in St. Petersburg inhaftiert und
zusammen mit anderen Revolutionären zum Tode verurteilt. In
Leichentüchern standen die Männer dem Erschießungskommando
gegenüber. Die Trommeln ertönten, die Gewehre wurden auf sie gerichtet und
der Tod stand unmittelbar bevor. In diesem Moment kam ein Bote auf einem
Pferd angeritten und verkündete, dass der Zar die Hinrichtung aufhob. Die
ursprüngliche Verurteilung zu harter Arbeit wurde wieder in Kraft gesetzt.
Die Reaktionen waren unterschiedlich: Ein Mann drehte durch, ein anderer
weinte und sang “Es lebe der Zar”. Als Dostojewski in seine Zelle
zurückkehrte, war er außer sich vor Freude. “Ich kann mich nicht erinnern,
wann ich jemals so glücklich war wie an diesem Tag. Ich ging in meiner Zelle
auf und ab und sang die ganze Zeit aus voller Kehle, so glücklich war ich
darüber, dass ich mein Leben zurückbekommen hatte”.
An seinen Bruder schrieb er: “Und erst da wusste ich, wie sehr ich dich liebe,
mein lieber Bruder. Wenn ich auf meine Vergangenheit zurückblicke und
daran denke, wie viel Zeit ich für nichts verschwendet habe … wie wenig ich
sie zu schätzen wusste – dann blutet mein Herz. Niemals hat in mir ein so
reichhaltiges und gesundes geistiges Leben geherrscht wie jetzt……Das
Leben ist ein Geschenk. Leben ist Glück, jede Minute kann eine Ewigkeit des
Glücks sein. Das Leben ist überall, das Leben ist in uns selbst, nicht im
Äußeren”.
Denken Sie daran, dass er zu dem Zeitpunkt als er diese Gedanken hatte
noch in einem dunklen Gefängnis saß, verurteilt zu harter Arbeit. Dankbarkeit,
gerade für das Leben, durchdrang seine Momente.
Leben und Tod sind ein Paar. Sie sind unsere Lehrer. Was immer auch in
unserem Leben geschieht!
Es gibt immer Raum für Kummer, für Trauer und Schmerz genauso wie es
einen ungeteilten, offenen Raum für Freide, Dankbarkeit und Liebe gibt.
Zusammen lernen wir, dieses kostbare Leben wahrhaft zu leben!